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02.08.2023

Ein Ausflug in die Kindheit mit dem Duft nach Heu und Sommer

Anna Veit begeistert mit ihrer Lesung im Bauernhausmuseum Amerang

„Wenn ich mal groß bin“ – unter diesem Titel präsentierte die Münchner Schauspielerin und Sängerin Anna Veit im Bauernhausmuseum Amerang des Bezirks Oberbayern ihre Lesung persönlicher, vielleicht auch erfundener Geschichten. Musikalisch gekonnt begleitet von Verena Richter, erlebten die Gäste im Kuhstall des Vierseithofes einen Ausflug in die Kindheit, der sie gedanklich in ihre eigenen Jahre als Buben oder Mädchen auf dem Lande entführte.

„Der Tag beginnt mit einem wunderbar nach Heu duftenden Sommerwind, mit dem Ausrupfen von Gräsern, in den Bach steigen, Schnecken oder Steine sammeln, und sie dann doch dort lassen…“ Das Kind Anna erlebt einen Sommer auf dem Bauernhof, der auf eine glückliche Kindheit schließen lässt. Ganz ohne Luxus, Smartphones, Tablets oder Fernsehen, ohne Selfies vor dem Heuhaufen. Stattdessen die morgendlichen Schritte über 17 kühle Steinstufen hinunter in die Küche, wo die herrliche Marmelade, die Brotscheiben und leere Kaffeetassen davon zeugen, dass Oma und Opa längst bei der Arbeit sind. Kinder, die kein Handy klingeln hören, wohl aber anhand des knatternden oder knarrenden, ja sogar bellenden Geräusches sofort wissen, wer da am Steuer des Traktors sitzt.

Anna Veit erzählt diese Kindheit in kleineren Szenen, nicht einfach vorgelesen, sondern mit dem Sprachrhythmus, wie man ihn von Erwachsenen kennt. So zum Beispiel verankerte sich in ihrem Kopf der mantrahafte Klang der Gebete in der Kirche wie „Darengldesherrnbrachtemariadiebotschaft…“ oder „Gegrüßtseistduma-ria“. Die Kirche aus der Sicht eines Kindes: Offensichtlich stört es den Pfarrer, wenn die Gottesdienstbesucher so laut husten. Deshalb greift er in den Tabernakel und verteilt Hustenbonbons – leider nicht an die Kinder, die stattdessen gerne Schokolade gehabt hätten.

Verena Richter begleitet die Szenen aus dem Leben eines Kindes auf dem Land mit dem Saxofon in wechselnder Musik – mal etwas schwermütiger, mal mit Tönen, die eine fröhliche Lockerheit verbreiten und nachempfinden lassen, dass so ein Leben eines Mädchens auf dem Bauernhof schöne Erinnerungen hinterlässt. Ja, manchmal kommt sogar so etwas wie Neid auf. Wenn die kleine Anna beispielsweise feststellt: „Ich verschmelze mit dem Sommer. Ich werde in Ruhe gelassen, ohne allein zu sein. Ich habe unendlich viel Zeit.“

Zeit haben, kein Stress, keine Termine! Die Erzählungen vom Spielen auf dem Sandhaufen, vom Opa beim Frühschoppen, oder von der Oma mit der bunten Schürze, die sie stets trug – all das führte dazu, dass man als Gast selbst gedanklich in seine eigene Kindheit reiste. Hatte man nicht auch so eine Oma mit der bunten Schürze? Wie war es als Kind im Gottesdienst, mit dem Geruch nach Weihrauch und Gebeten, die man vielleicht noch nicht so verstanden hat? Das Publikum jedenfalls applaudierte mit Begeisterung und auch Dankbarkeit. Für zwei Stunden war man selbst, mal wieder Kind. Und der ein oder andere, oder die eine oder andere, verließ die Lesung mit einem Lächeln auf den Lippen, den Sommer im Herzen und den Duft nach Heu in der Nase. Das schreit nach Wiederholung!